Freitag, 19. September 2014

Mesut Özil hat ein Image-Problem

VON JEREMIAS RENNER:

Die Fußballsaison 2014/15 ist erst ein paar Wochen alt, aber der Arsenal-Profi Mesut Özil steht schon wieder mehr im Fokus, als ihm lieb sein kann. Drei Einsätze in der Premier League, einer in der Champions League beim enttäuschenden 0:2 bei Borussia Dortmund. Seine Bilanz? Kein Tor, keine Vorlage. Das ist natürlich wenig, vor allem, da sich die Anhänger der Gunners nach Özils durchwachsenem ersten Premier-League-Jahr eine deutliche Leistungssteigerung von Wengers Königstransfer des letzten Sommers erhofft haben.

Aber Moment mal. War da nicht noch irgendwas? Achja, zwischendurch ist Özil ja auch noch Weltmeister geworden. Mit Deutschland. Stimmt ja. Aber er hat doch gar nichts gemacht, oder? Das Tor im Finale hat Mario Götze geschossen, vorbereitet von André Schürrle. Den Cut unter dem Auge hat sich Bastian Schweinsteiger abgeholt, und den Torrekord hat sich Miroslav Klose gesichert. Portugals Verteidiger schrecken heute noch regelmäßig laut schreiend aus dem Schlaf hoch, wenn sie von Thomas Müller träumen, und Karim Benzema wirft seine Dartpfeile neuerdings auf ein Manuel Neuer-Plakat. Aber Özil? Ja okay, der war halt dabei. Immer in der Startelf, ja, geschenkt. Wir sind halt trotzdem Weltmeister geworden. Obwohl dieser, oft lethargisch wirkende – hoppla, jetzt hätte ich doch tatsächlich fast „Türke“ geschrieben – immer gespielt hat. So war es doch, oder?

Natürlich nicht. Denn wie etwa ein Benedikt Höwedes war Özil ein fester Bestandteil einer funktionierenden Mannschaft, ohne ein Spiel im Alleingang entschieden zu haben. Und wer sich mal die Mühe macht, sich ein paar Zahlen anzusehen, stellt fest: Selbst wenn es kein herausragendes Turnier des Mesut Özil war, keiner hat so viele Torschussvorlagen vorzuweisen, und über keinen liefen, objektiv betrachtet, nach vorne mehr Aktionen, wenn auch nicht immer die spielentscheidenden und auch nicht nur die gelungenen. Immer eine Idee, fast nie ein Fehlpass, trotz stets riskanter Zuspiele vor allem in der gegnerischen Hälfte.

Aber so etwas ist bei Özil eben Standard. Das macht er in einem, nennen wir es „Formtief“. Da spielt er mal eben grundsolide in einer Weltmeisterelf mit. Und muss sich Schelte von allen Ecken und Enden anhören. An welchem Maßstab, bitteschön, wird dieser Kerl eigentlich gemessen?

Nun, er selbst hat die Messlatte einfach unglaublich hoch gehängt. Keine zwei Jahre ist es her, dass ebenjener BVB im Estadio Santiago Bernabeú zu Madrid für ein Champions League Gruppenspiel zu Gast war und dicht vor einem sensationellen 2:1 Auswärtserfolg stand, als sich ebenjener Mesut Özil den Ball schnappte und einen Freistoß aus 20 Metern zum 2:2 versenkte. In Madrid liebten sie ihn. Hier hatte Özil die sportlich bisher besten drei Jahre seiner Karriere. Ein Glanzlicht nach dem anderen, und eine Vorlage nach der anderen. Nicht zuletzt der Nummer 10 mit seinem Namen auf dem wohl legendärsten Trikot der Welt hat Özil seine 26 Millionen Facebook-Fans zu verdanken, mit denen er alle anderen deutschen Weltmeister nach wie vor locker in die Tasche steckt. Am Ende jagten sie ihn vom königlichen Hof, unter dem lauten Protest der Anhänger und Özils bestem Flankenverwerter Cristiano Ronaldo – und für schlappe 50 Millionen Euro.

Ganz Arsenal freute sich riesig, doch dieses verdammt schwere Preisschild um den Hals scheint Özil zu hemmen. Die Medien freuen sich, weil man auf ihm einfach so wunderbar, ungestraft und unobjektiv herumhacken kann. Man braucht sich nur einmal die Bild-Noten des Spiels beim BVB anzusehen. Die Arsenal-Spieler erhielten quasi durch die Bank weg Fünfen. Mertesacker aber bekam eine milde 4 (weil er Deutscher ist?) und Özil natürlich eine 6 – einfach nur, weil er Özil ist?

Am Ende wird es die Karriere des Mesut Özil abkönnen, dass er zwei Jahre lang mal nur ein sehr guter Spieler gewesen ist, und kein herausragender. Und noch halten sowohl Arsène Wenger, als auch Jogi Löw an Özil fest, und das auch zurecht, denn sie wissen, was er kann. Es fragt sich nur, wie lange tun sie das noch? Und um zu verhindern, im Haifischbecken Profifußball unterzugehen und an der Häme der Massenmedien und der Stammtische zu zerbrechen, sollte Mesut Özil jetzt dringend wieder anfangen zu liefern. Oder mal etwas für sein Image tun. Oder, am besten: Beides.



2 Kommentare:

  1. Also ich versuche mich mal ganz neutral an das Thema Özil heranzuwagen!

    Dieses Imageproblem, welches sie ansprechen Herr Renner, rührt in meinen Augen in erster Linie daher, dass der Spieler Mesut Özil an sich etwas verkörpert, was es im modernen Fußball so nichtmehr gibt.
    Die fußballerische Genialität und technische Rafinesse wird ihm niemand abstreiten können. Auch das Auge für "Key-Pässe" und die elegante Ballführung, alles Attribute eines überragenden 10ers doch hier setzt meine Kritik an.
    Ihm gehen die wichtigen Fähigkeiten im modernen Fußball zu oft ab. Besonders auffällig wird dies im Vergleich mit anderen "Positionsverwandten". Bei Borussia Dortmund finden sich gleich zwei zum Vergleich geeignete Kandidaten, die Özils Defizite schonungslos offenlegen. Shinji Kagawa und Marco Reus kombinieren Technik, Spielwitz und Effizienz mit dem entscheidenden Punkt: Geschwindigkeit.
    Die oftmals bei Özil auftretende Kritik bezüglich seiner Lustlosigkeit, hat meiner Meinung nach seinen Grundkern in der fehlenden Dynamik in seinen meisten Aktionen. Er ist ein 10er der alten Schule um bei den Stammtischphrasen zu bleiben, einer der vielleicht vor ein paar Jahren noch die Massen begeistert hätte, doch heute ist das Spiel ein anderes. Es gibt nichtmehr die Freiräume, die ein Özil für sein Spiel braucht um sein Können auszuspielen, was auch das Abtauchen gegen gut organisierte Abwerhrreihen erläutert (ebenso den im Ausgangspost angesprochenen Punkt er sei auf den Flügeln verschenkt).
    Im europäischen Topfußball, setzt niemand mehr auf einen Spielmacher hinter den Spitzen, der lediglich eine Handvoll gute Aktionen pro Spiel hat.
    Sie sind entbehrlich geworden, das Kollektiv nimmt ihren Platz ein.
    Es ist wie ich finde kein Zufall, dass Real Madrid mit dem Dreiermittelfeld aus:
    Di Maria - Alonso - Modric
    einen ausgeglicheneren Fußball spielte wie noch mit Özil, denn all diese Spieler plus einem einsatzfreudigen Gareth Bale, kompensierten zum einen die mangelnde Defensivarbeit von Ronaldo, sowie das sich Beschränken auf Geistesblitze der scheidenden 10.
    Ich werde wohl nichtmehr sein größter Beführworter und sehe auch in der Nationalelf deutlich besser geeignete Kandidaten für seine Position, vor allem mit Hinscht auf die nächsten Jahre, ich befinde lediglich Mesut Özil als (unfreiwilliges?) Opfer des modernen Fußballs, dem er sich trotz seiner herausragenden Fähigkeiten, (noch) nicht anpassen konnte.

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  2. Also, ich finde die Sicht von Herrn Renner Interessant und gut.
    Klar gibt es Spieler mit mehr Dynamik und vielen anderen Fähigkeiten, aber keiner der genannten Spieler spielt so Geniale Bälle wie Özil oder erkennt Räume bevor sie entstehen.

    Die Frage die sich Stellt ist doch, warum spielte Özil so gut in Madrid?!
    Und ich denke, der entscheidende Faktor bei Özil ist, er muss gehegt und gepflegt werden, wie eine Blume sozusagen :), er braucht viel aufmerksamkeit von seinem Trainer und vor allem das Vertrauen. Mourinho gab Ihm dieses Gefühl die ersten Jahre in Madrid und siehe da, Özil funktionierte. Gegen Ende der Mourinho Ära gab es Negative Stimmung in der Mannschaft und Özil funktionierte nicht mehr.
    Schafft es ein Trainer mit Özil umzugehen wie er es braucht, kann Özil einer der Besten werden. Sehe ich zumindest so. :)

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