Freitag, 26. September 2014

Das Gesicht des Misserfolgs - Danke für nichts, Fredi Bobic?



VON JEREMIAS RENNER

Wenn man das große Ganze betrachtet, ist die Entlassung von Fredi Bobic beim VfB Stuttgart eine absolut konsequente, logische und dringend notwendige Entscheidung. 
Nach der erfolgreichen Ära von Horst Heldt, die die Glanzlichter Meisterschaft 2007 und Champions-League-Qualifikation 2009 aufzuweisen hat, wurde Fredi Bobic im Sommer 2010 auf den Stuhl des Managers berufen. Seitdem konnte der Verein nie wieder den hohen Erwartungen gerecht werden, die letzlich auf diese erfolgreiche Zeit zurückzuführen sind. Seit Bobic am Ruder war, hat der VfB es geschafft, sich von einer Mannschaft, die stets in der oberen Tabellenhälfte zu finden war und immer um die internationalen Plätze mitgespielt hat (Platzierungen 2002-2010: 8, 2, 4, 5, 9, 1, 6, 3, 6), zu einer grauen Maus zu mausern, die immer aufpassen muss, nicht in den Abstiegskampf zu rutschen (Platzierungen 2011-2014: 12, 6, 12, 15). So hart das klingt für den erfolgsverwöhnten VfB-Fan der 2000er Jahre, der sechste Platz 2012, als Winterzugang Vedad Ibisevic die Cannstatter Jungs quasi im Alleingang nach Europa schoss, war bei Licht betrachtet eher ein Ausreißer nach oben.

Nun kann man einen Manager natürlich nicht nur an Tabellenplätzen messen. Fredi Bobic hatte gleich von Anfang an richtig miese Bedingungen vorgefunden, die ihm sein Vorgänger Horst Heldt freundlicherweise überlassen hatte, als er dem Ruf des Geldes erlag und nach Schalke ging. Oder flüchtete, auch das scheint im Rückblick eine passende Vokabel zu sein. Gut möglich, dass Heldt ahnte, was da auf ihn zugekommen wäre. Denn nach den dicken Jahren, unter anderem mit der Champions League 2009/10, saßen einige Spieler auf fetten Gehältern, die der VfB nur im Falle erneuter Teilnahmen hätte stemmen können, ohne ordentlich zu bluten. Ein Mario Gomez war schon 2009 zum FC Bayern abgewandert, Sami Khedira folgte nach der WM 2010 und ging nach Madrid.

Der VfB hatte die beiden prägendsten Figuren der Vorjahre verloren, zwei, mit denen man unter anderem die Meisterschaft 2007 verband. Ihre Ablösesummen von insgesamt knapp 50 Millionen Euro waren da nur ein schwacher Trost, schließlich flossen sie auch zu großen Teilen in den Stadionumbau, der bis zur Neueröffnung der Mercedes-Benz-Arena 2011 Unsummen verschlang. Hätte man trotzdem mehr wagen müssen, und das Geld in Stars reinvestieren? Schwer einzuschätzen für einen jungen, unerfahrenen Manager wie Bobic, und vor allem schwer durchzubringen gegen Autoritäten wie Finanzchef Ulrich Ruf, der, wie die Stuttgarter Zeitung jüngst süffisant kommentierte, seit „gefühlt kurz nach dem Krieg“ in der Mercedesstraße über das Vereins-„Kässle“ wacht.


Bobics erste Saison war eine, die man nicht einmal seinem schlimmsten Managerfeind auf den Leib wünschen will. Aufgrund des immer deutlicher Richtung Abstiegsränge zeigenden Schlingerkurses sah er sich gezwungen, Trainerfuchs Christian Gross noch während der Hinrunde 2010/11 entlassen, eine Entscheidung, die viele Fans an die wohl ebenfalls vorschnelle Entscheidung gegen Meistertrainer Armin Veh in der Hinrunde 2008/09 erinnerte. Was dann kam, gab vielen Recht in ihrer Meinung: Auch der bis dahin als Jugendtrainer arbeitende, unerfahrene Jens Keller konnte der Mannschaft kein neues Leben einhauchen, bekam aber auch keine Zeit. Nach nur neun Bundesligaspielen war der Geduldsfaden schon wieder gerissen und man holte in Bruno Labbadia einen Trainer, der bei seinen vorherigen Stationen Hamburg und Leverkusen jeweils zwar gute Ansätze gezeigt hatte, aber auch keinen langfristigen Erfolg gehabt hatte. Und das direkt vor zwei Spielen gegen den FC Bayern München: Im DFB-Pokal und in der Liga hagelte es mit 3:5 und 3:6 zwei deutliche Niederlagen. Dann ging es in die Winterpause, und die Wettanbieter hatten den VfB auf der Abstiegskandidatenliste ganz weit oben, doch irgendwie schaffte Labbadia es, das rettende Ufer zu erreichen. Eine erste Saison, wie sie symptomatischer für die Ära Bobic nicht hätte sein können.


Ebenfalls symptomatisch für seine gesamte Amtszeit war Bobics erster Transfersommer 2010. Neben Khedira gingen andere Größen wie Alex Hleb, Jens Lehmann, Roberto Hilbert und Ricardo Osorio. Bobic holte in Johan Audel und Philipp Degen zwei absolute Voll-Flops und tätigte mit der Verpflichtung von Mauro Camoranesi einen sogenannten „Königstransfer“, für den er von allen Seiten nur Kopfschütteln erntete. Der in die Jahre gekommene Italiener hatte für die vielen Millionen Gehalt außer seinem klangvollen Namen inklusive dem Prädikat „Weltmeister“ und einer roten Karte wegen einer Notbremse leider nicht mehr viel zu bieten. Zudem holte Bobic in jenem Sommer in Martin Harnik und Christian Gentner zwei Spieler, die sich durchsetzen konnten und inzwischen zu Führungsspielern gereift sind, die aber auch mit die prominentesten Gesichter der erfolglosen Mannschaft der 2010er Jahre sind.


Man kann ja nicht einmal sagen, dass Bobic auf dem Transfermarkt alles falsch gemacht hat. Neben einigen weiteren Flops wie Tim Hoogland, Tunay Torun, Mo Abdellaoue und Sercan Sararer (die letzteren zumindest bisher) waren doch auch einige Glücksgriffe dabei: Alexandru Maxim, Carlos Gruezo, Vedad Ibisevic oder William Kvist, Tamas Hajnal und Ibrahima Traoré konnten der Mannschaft nach ihrer Verpflichtung sofort weiterhelfen. Auch die Vertragsverlängerung mit Timo Werner muss Bobic als Verdienst angerechnet werden.


Dennoch: Trainer kamen und gingen, Bobic blieb, und mit ihm der Misserfolg. Dass all die Jahre irgendetwas ganz gehörig schief gelaufen sein muss am Cannstatter Wasen, das zeigt allein ein Blick auf die aktuelle Torschützenliste der Bundesliga. Da tummeln sich auf den Plätzen eins und zwei Stürmer wie Shinji Okazaki und Julian Schieber. Mit zusammen acht Toren nach fünf Spielen – gefühlt sind das mehr, als sie in all ihrer Zeit beim VfB geschossen haben. Das sind nur zwei der Spieler, die in den letzten Jahren regelmäßig als zu schlecht für die Startelf der Roten befunden und dann verkauft wurden. Weitere Beispiele aus dieser Kategorie gefällig? Ermin Bicakcic. Bernd Leno. Sebastian Rudy, der am Wochenende das 0:1 für Hoffenheim in der Mercedes-Benz-Arena vorbereitete.


Lag es an der Luft in Bad Cannstatt, dass jemand wie Shinji Okazaki jahrelang hinter den Erwartungen zurückblieb, um dann in Mainz auf Anhieb einzuschlagen? Liegt es am schwäbischen Essen? Oder liegt es vielleicht am Sportvorstand?


Für die Fans war die Antwort schon lange klar. Nun hat der Vorstand mit Bobics Entlassung die selbe Antwort gegeben. Unter dem Druck des Commando Cannstatt, das Bobic vor Wochenfrist öffentlich an den Pranger stellte und schon lange versuchte, ihn zum Sündenbock zu machen? Unter dem Druck des miserablen Saisonstarts? Fest steht, der Zeitpunkt der Entlassung ist mehr als unglücklich. Doch Bobic war nicht mehr tragbar. Er ist das Gesicht des Misserfolgs und des Schönredens der letzten Jahre. Er hat alles gegeben, aber wenig erreicht. Danke für nichts also? Bobic hat vier Jahre lang die Knochen für den VfB hingehalten, als es nicht lief. Am Ende war er vielleicht der falsche Mann. Dafür kann er natürlich nichts. Und dass er nicht allein an allem Schuld war, wird sich zeigen, wenn ein neuer Mann kommt, und die alten Probleme bleiben. Sollte es jenem neuen Mann, ob er nun Lehmann, Rangnick oder Mustermann heißen wird, aber doch gelingen, gemeinsam mit Armin Veh aus der von Bobic zusammengestellten Mannschaft das rauszuholen, was sie eigentlich kann (so ähnlich wie in Dortmund), wird sich bei Bobic sicher niemand bedanken. Wundern wird ihn das nicht, denn wenn er eines gelernt hat beim VfB, dann jenes: Undank ist der Welt Lohn.

1 Kommentar:

  1. Der Zeitpunkt des Rauswurfs ist zumindest mal ein Zeichen von fehlendem Fingerspitzengefühl, dass Bobic nicht der richtige auf dem Posten ist, hat der Vorstand eigentlich eher zu spät erkannt.

    Und ja, die Fans haben viel Macht in Stuttgart. Ob das gut oder schlecht ist? Ich weiß es nicht.

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